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18. Forum AIDS-Prävention – ein Resümee

geöffnete Hände, im Kreis angeordnet, halten eine rote AIDS-Schleife

© iStock.com/Vasyl Dolmatov

Das Bayerische Forum AIDS-Prävention ist eine etablierte Veranstaltungsreihe zur Fort- und Weiterbildung für Fachkräfte der HIV-/AIDS-Prävention und Beratung in Bayern. Das 18. Forum AIDS-Prävention fand am 24. Juni 2021 erstmals online statt und stieß mit dem Format auf positive Resonanz und große Nachfrage. Rund 110 Teilnehmende verfolgten digital die Expertenvorträge, Praxisbeiträge und regen Diskussionen. Thematisch standen dabei die Bedarfslagen und Zugangswege von ganz unterschiedlichen Adressaten- und Risikogruppen im Fokus.

Repräsentativer Bevölkerungssurvey zeigt Handlungsbedarf

Während das Wissen über HIV/AIDS in allen Altersgruppen weit verbreitet ist, sind andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) deutlich weniger bekannt – das zeigt die GeSiD Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“. Ein besonderer Informationsbedarf zeigt sich bei Älteren und Befragten mit niedrigem Bildungsstand, regionaler sozialer Benachteiligung sowie mit familiärer Migrationsgeschichte. Dr. Arne Dekker, Studienleiter der GeSiD Studie, stellte die aktuelle Datenlage zur Gesundheit und Sexualität in Deutschland vor. Rund 70 Prozent der Studienteilnehmenden ist der Ansicht, dass Hausärzte und Hausärztinnen ihre Patienten und Patientinnen häufiger auf sexualitätsbezogene Fragen und Probleme ansprechen sollten. Auch die Kommunikation mit dem Partner oder der Partnerin im Erkrankungsfall findet immer noch zu selten statt. Abhängig von der Infektion und dem Geschlecht, unterscheidet sich der Anteil derjenigen, die im Falle einer Erkrankung mit dem Sexualpartner oder der Sexualpartnerin darüber sprechen. Die Erkenntnisse der Studie zum aktuellen Sexualverhalten, wie auch zum defizitären Wissensstand sind für Ärztinnen und Ärzte, Schulen und Anbieter von Gesundheitsinformationen und Bildungsangeboten essentiell, um Maßnahmen bedarfs- wie bedürfnisgerecht auszurichten.

Risikogruppen im Blick

HIV-Spätdiagnosen, Besonderheiten im ländlichen Raum und HIV unter Drogengebrauchenden stellen die Präventions- und Beratungsarbeit vor besondere Herausforderungen.

Dass HIV- und Sucht-Prävention miteinander verwoben sind, zeigt sich nicht zuletzt durch beobachtbare Tendenzen von HIV unter Drogenkonsumierenden. Dr. Ulrich Marcus, RKI, und Hans-Peter Dorsch, Psychosoziale Aids-Beratungsstelle Oberpfalz, beleuchteten die Thematik „HIV und Drogengebrauch“. Seit 2012 steigt die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei intravenösen Drogengebrauchenden in Deutschland. Hans-Peter Dorsch stellte dar, dass die Gruppe der Drogen konsumierenden Menschen zusammen mit der Gruppe der MSM die Haupt-Infektionslast der HIV-Epidemie in Deutschland trägt. Trotzdem sei die HIV-Präventionsarbeit mit Drogenkonsumentinnen und -konsumenten in Bayern nur sehr lückenhaft vorhanden, insbesondere in ländlichen Regionen. Das Spritzenaustausch-Programm und das Test-Projekt „Rat und Tat“ wurden als beispielgebende Projekte der Region Regensburg/Oberpfalz näher beleuchtet.

Technologien verändern Prävention und Therapie

Dr. Thomas Sternfeld leitet eine HIV-Schwerpunktpraxis in Landshut. Er erläuterte in seinem Vortrag Besonderheiten der Arbeit in ländlichen Regionen. Das Leben in der Stadt bietet Anonymität, die Versorgungsstruktur an Schwerpunktpraxen ist besser. Gleichzeitig lassen sich übergreifende gesellschaftliche Veränderungen beobachten. Die Beratung und Begleitung von Menschen mit Migrationsgeschichte bringen neue Herausforderungen mit sich. HIV-Schnelltests/Selbsttests ermöglichen eine andere Form der Diagnostik. All diese Voraussetzungen und Veränderungen, so auch die Präexpositionsprophylaxe, beeinflussen die praktische Arbeit. Fallbeispiele im Rahmen des Vortrags verdeutlichen, dass die Sensibilität seitens Ärztinnen und Ärzten sowie Kliniken anderer Fachgebiete für HIV/STI noch weiter ausgebaut werden sollte, um Spätdiagnosen vorzubeugen.

Spätdiagnosen haben persönliche und gesellschaftliche Relevanz

Auf die Besonderheiten der späten Diagnosestellung ging Annemarie Pantke, RKI, in ihrem Vortrag explizit ein und schilderte die Lage in Deutschland. HIV-Diagnosen werden oft erst Jahre nach der Infektion gestellt und stellen damit eine Herausforderung für die AIDS-Arbeit dar. Denn späte Diagnosen haben nicht nur einen individuell schlechteren Krankheitsverlauf und damit ein höheres Sterblichkeitsrisiko zur Folge. Sie bergen auch ein höheres Transmissionsrisiko in der Bevölkerung.

Präventionsarbeit, die ankommt

Die abschließende Diskussionsrunde drehte sich um die Frage: Was können wir tun, wie können wir Risikogruppen besser erreichen? Praktiker und Experten erörterten dabei die Rolle der Medizinerinnen und Mediziner. Auch erfolgsversprechende Projekte und deren Übertragbarkeit wurden in den Blick genommen. Bewusstseinsbildung und Sensibilität rund um STI, Passgenauigkeit und Attraktivität der Angebote sowie Überzeugungskraft und Engagement der Akteure kristallisieren sich im Laufe der Diskussion als Erfolgsfaktoren präventiver Arbeit heraus. Am Ende steht ein Plädoyer für Interdisziplinarität, Kooperation und einen langen Atem!