Migration und Flucht von Kindern – Wege zur Gesundheit
Fachtagung im Rahmen der Fortbildungsreihe „Gesundheitliche Chancengleichheit für alle Kinder“
Im Mittelpunkt der Fachtagung für pädagogische Fachkräfte standen gesundheitsförderliche Chancen und Möglichkeiten im Umgang mit Kindern und Familien mit Migrationshintergrund und/oder Flüchtlingsgeschichte. Im Rahmen der Fortbildungsreihe „Gesundheitliche Chancengleichheit für alle Kinder“ wurde diese Veranstaltung zur Förderung des Austausches und der Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure vom Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung in Kooperation mit der Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, ausgerichtet.
Tagung für pädagogische Fachkräfte am 13. Oktober 2016
Die Gesellschaft steht durch die sog. Flüchtlingskrise vor großen Herausforderungen. Festzustellen sind diese u. a. bei der Betreuung von Kindern aus Migrantenfamilien, insbesondere bei Kindern mit Fluchterfahrung. Für pädagogische Fachkräfte sind daher ein professionelles Handeln und ein kultursensibler Umgang mit den betroffenen Kindern unerlässlich. Welchen Barrieren die Fachkräfte dabei ausgesetzt sind und welche spezifischen Probleme beispielsweise in der Kita entstehen können, wurde in der Fachtagung ausführlich thematisiert. Die vorhandenen Defizite für eine gesundheitsförderliche Lebensweise der Kinder kamen dabei ebenso zur Sprache wie Möglichkeiten, gesundheitliche Chancenungleichheit zu reduzieren. Letztlich sind dies die Vorrausetzungen für eine gelungene Integration, um den Kindern möglichst gleiche Chancen und eine gute Perspektive zu ermöglichen.
Tagungsdokumentation
Flüchtlinge, Ausländer, Migranten – schwierige Begriffe und uneinheitliche Zahlen
Christian Druck, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS)
Prof. Dr. Jörg Reinhardt, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München
Die Integration ist ein sehr komplexer, langwieriger und vielschichtiger Prozess, da mehrere Politikfelder ineinandergreifen und jeweils Auswirkungen aufeinander haben. Hinsichtlich der Migration und Integration der Flüchtlinge, die zu uns kommen, steht auch die Gesundheitspolitik vor großen Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Differenzierte Daten zu Aspekten der Migration und Flucht, sowie häufig verwendete Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang sollen einen Überblick geben und zum Verständnis der Thematik beitragen. Auch zur Integrationspolitik liefert dieser Vortrag einige Hintergrundinformationen und stellt Zusammenhänge zwischen Migration und Gesundheit (bzw. Krankheit) her.
Migration/Fluchterfahrung – gesundheitliche Entwicklung und professionelles Handeln in der Kita
Prof. Dr. Angela Gosch, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München
Bei Kindern mit Fluchterfahrung ist zu wenig über die gesundheitliche Entwicklung aller Kinder bekannt, am ehesten über die psychische Gesundheit von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, hier muss bei der Gesundheitsförderung auf die Sicherung der kindlichen Grundbedürfnisse ebenso geachtet werden wie auf die Förderung der psychischen Gesundheit.
Die gesundheitliche Lage von Kindern mit Migrationshintergrund, sowie speziell mit Fluchterfahrung werden in diesem Vortrag umfangreich erläutert. Dabei werden besonders die Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund beschrieben. Grundsätzlich liegen dabei positive wie negative Gesundheitsbefunde für Kinderund Jugendliche aus Migrantenfamilien vor.
So sind beispielsweise deutlich weniger Kinder mit Migrationshintergrund an Allergien betroffen, haben jedoch u. a. ein erhöhtes Risiko für psychische Auffälligkeiten. In der Präsentation wird außerdem der Frage nachgegangen, ob und wie sich Veränderungen durch Gesundheitsförderung in Kitas darlegen lassen. Am Beispiel des Ernährungszustandes und der visuomotorischen Leistungen der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund wird deutlich, dass vermehrt kulturelle und subjektive Gesundheitsvorstellungen der Eltern berücksichtigt werden müssen. Es zeigt sich jedoch ein erhöhter Forschungsbedarf, insbesondere bei Kindern mit Fluchterfahrung, um die gesundheitliche Entwicklung effektiv fördern zu können.
Fachforum 1: Migration und Zugang zu Angeboten gesundheitsbezogener Prävention und gesunden Lebensweisen
Britta Lenk-Neumann, Bayerisches Zentrum für transkulturelle Medizin, München
Migranten nehmen die Angebote des deutschen Gesundheitssystems viel weniger in Anspruch als die einheimische Bevölkerung.
Für Menschen mit Migrationshintergrund besteht die Gefahr einer medizinischen Unterversorgung. Am Beispiel der Inanspruchnahme von U-Untersuchungen zeigt sich, dass Kinder mit beidseitigem Migrationshintergrund bereits einen deutlich schlechteren Zugang zu gesundheitsbezogenen Leistungen erhalten. In diesem Fachforum wurden Gründe für eine Unterversorgung erarbeitet, die unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit diskutiert und mögliche Folgen erörtert.
Migration/Fluchterfahrung – gesundheitliche Entwicklung und professionelles Handeln in der Kita
Prof. Dr. Maria Marchwacka, IB Hochschule/Stuttgart: Health Care Education
Die ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen in der Familie können als Schlüssel zur gesellschaftlichen Partizipation betrachtet werden, die sowohl das Wohlbefinden (die subjektive Gesundheit) wie auch das Gesundheitsverhalten prägen.
Für einen professionellen Umgang mit Kindern aus Migrantenfamilien und Kindern mit Fluchterfahrung ist es zunächst notwendig, sich der Multidimensionalität von Migration bewusst zu werden. Dieser Prozess ist sehr komplex und mit seinen vielen Facetten – von den ursprünglichen Fluchtmotiven bis hin zu aktuellen Lebensbedingungen – zu berücksichtigen. So wird in diesem Vortrag besonders auf die Bedeutung der Kultur und Problematiken diesbezüglich hingewiesen. Abschließend wird das pädagogische Handeln unter interkulturellen Gesichtspunkten beschrieben.
Pädagogische Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Trauma
Dipl. Soz.Päd. Dorothea Hüsson, PH Schwäbisch Gmünd
Der Vortrag beschreibt zunächst die Entwicklung traumatischer Erlebnisse und zeigt die Individualität in der Verarbeitung von Traumata auf. Im Umgang mit traumatisierten Kindern ist es daher wichtig, die jeweiligen subjektiven sog. „Triggerreize“ zu kennen und zu verstehen, sowie diese zu vermeiden, um das Wiedererleben der Gefühle der Traumaszene („Flashbacks“) zu verhindern. Eine traumasensibele ausgerichtete Pädagogik ist in der Zusammenarbeit mit betroffenen Kindern dringend notwendig. Dazu werden abschließend verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung der Kinder dargestellt.
Fachforum 2: Gesundheitsförderung bei Kindern aus Familien mit Fluchterfahrung
Hindernisse und Handlungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte
Frédéric Lwano, Refugio München
Für die ganzheitliche Konzeption von Gesundheit und Krankheit braucht jeder Mensch Gesundheitsressourcen.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Prävention und Gesundheitsförderung liegt in den sogenannten Gesundheitsressourcen. Trotz der uneinheitlichen Definition sind Faktoren der Resilienz für die Gesunderhaltung von großer Bedeutung. Der Vortrag stellt eine Auswahl verschiedener Sichtweisen dar und gibt Beispiele möglicher Arten von Gesundheitsressourcen. Anschließend werden die Folgen der Flucht sowie die daraus resultierenden Belastungen für Gesundheit aufgezeigt. Ausführlich wird dabei auf die Auswirkungen der Flucht speziell für die Gesundheit der Kinder eingegangen. Inwiefern und welche Handlungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte zur Gesundheitsförderung der Kinder bestehen, wird abschließend erläutert.
Kontakt
Iris Grimm
Telefon: 09131 6808-4506
E-Mail: iris.grimm@lgl.bayern.de