Fachtag „Gesunde Kinder aus brüchigen Bindungen?"
Unterstützende Netzwerke oder störungsspezifische Fallstricke bei Borderline-Struktur
Gesunde Kinder aus brüchigen Bindungen? Unterstützende Netzwerke oder störungsspezifische Fallstricke bei Borderline-Struktur
Menschen mit einer Borderline-Struktur leiden an rasch wechselnden Gefühlen, die subjektiv oft als sehr intensiv oder sogar überflutend erlebt werden. Beim Erlernen des Umgangs mit Gefühlen, kommt es bei den Betroffenen meist schon ab dem Säuglingsalter zu erheblichen Störungen. Diese Störungen gehen in der Regel von versorgenden Menschen aus. Aufgrund dieser Störungen können die Betroffenen im Erwachsenenalter mit heftigen Gefühlen und Gefühlswechsel nicht umgehen. Häufig fühlen sie sich diesen ausgeliefert.
Gefühle beeinflussen unsere Umweltwahrnehmung, unsere Grundüberzeugungen und unser Handeln (mehr, als die meisten Menschen zugeben mögen.) Das Leben dieser Menschen ist von außen betrachtet gekennzeichnet durch Impulsivität, Unstetigkeit und raschem Wechseln von Gefühlen, Überzeugungen und Handlungszielen.
Diese früh beginnende Störung der Gefühle mit all den Konsequenzen im alltäglichen Miteinander wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine Krankheit angesehen: „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ“ ICD-10: F60.31.
Können Kinder, die Mütter/Väter mit Borderline-Struktur haben, gesund aufwachsen? Was gibt es für Unterstützungssysteme?
In Anlehnung an das Jahresschwerpunktthema „Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) wurde durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Netzwerkpartner der o. g. Fachtag initiiert. In Rahmen der seit 2008 bestehenden „Fachgespräche Gesundheitliche Chancengleichheit“ der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit mit Sozialwissenschaftlern, pädagogischen Fachkräften und Vertretern der Träger der Freien Wohlfahrtsverbänden konnte dieses Netzwerk auf- und ausgebaut werden. Die Organisation hat das Bayerische Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) in Kooperation mit der Regierung von Schwaben, dem Gesundheitsamt der Stadt Augsburg, dem Amt für Kinder, Jugend und Familie – Fachbereich Frühe Hilfen und KoKi der Stadt Augsburg sowie dem Josefinum Augsburg übernommen.
Menschen mit einer Borderline-Struktur leiden an rasch wechselnden Gefühlen, die subjektiv oft als sehr intensiv oder sogar überflutend erlebt werden. Beim Erlernen des Umgangs mit Gefühlen kommt es bei den Betroffenen zu erheblichen Störungen. Daher leiden gerade auch Kinder unter den heftigen Gefühlswechseln des betroffenen Elternteils und befinden sich in einer sehr belasteten familiären, emotionalen und sozialen Situation. Zudem sind diese Kinder einem erhöhten Risiko ausgesetzt, selbst psychisch zu erkranken.
Die Fachtagung, die sich u. a. an Ärzte, Psychologen und Therapeuten, KoKis, pädagogische Fachkräfte, Hebammen und Sozialdienst richtete, ist daher folgender Frage nachgegangen: „Können Kinder, die Mütter/Väter mit Borderline-Struktur haben, gesund aufwachsen? Was gibt es für Unterstützungssysteme?“ Nachdem in zwei sehr informativen Vorträgen die Erkrankungen sowie deren Auswirkungen auf die frühkindliche Entwicklung erläutert wurden, fand eine anschauliche Expertenrunde statt. Diese beschäftigte sich aus Sicht verschiedener an der Behandlung beteiligter Fachkräfte mit einem fiktiven Fallbeispiel (Fallvignette).
Mit den Fachtagungen am 9. November 2016 und 10. Mai 2017 im Josefinum Augsburg ist einem wichtigen und oftmals vernachlässigten Thema umfangreich Rechnung getragen worden.
Fachvorträge
Die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung
Dipl.-Psych. Livia Koller, BKH Augsburg, St. Gregor Jugendhilfe
„So wie mit mir – als Kind – umgegangen wurde, so gehe ich – heute – mit mir um; so verleite ich andere, mit mir umzugehen – so gehe ich mit meinen Kindern um.“
Der Vortrag beschreibt ausführlich den Hintergrund, die Entstehung und Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dabei steht vor allem die Entstehung im Vordergrund der Präsentation. Neben einer genetischen Belastung begünstigen bestimmte Umweltfaktoren die Entstehung einer Affektregulationsstörung. Dazu zählen beispielsweise belastende oder traumatisierende Einflüsse, wie etwa Gewalt oder ungünstige frühkindliche Bindungserfahrungen. Allgemeine Daten zur Erkrankung, sowie die Behandlung werden anschließend dargestellt.
Abschließend wird speziell auf das Erleben der Kinder von Borderline-Müttern eingegangen.
Elternschaft und Persönlichkeitsstörung
Auswirkungen auf die frühkindliche Entwicklung
Dr. Andrea Strohl-Westerkamp, Josefinum Augsburg
„Die plötzlichen Einbrüche der mütterlichen Psyche bergen schwierige Einschätzbarkeit des Kindeswohls und Kindeswohlgefährdung“.
Die Bedeutung und Folgen der Bindung auf die frühkindliche Entwicklung des Säuglings, sowie der Einfluss der Elternschaft, sind wesentlicher Bestandteil des Vortrags. Im weiteren Verlauf werden der Bindungsaufbau und Ursachen einer Regulationsstörung beschrieben. Einen Schwerpunkt der Präsentation stellen die Auswirkungen einer Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) bei Müttern auf die unterschiedlichen Entwicklungsstadien des Kindes dar. Neben der Erläuterung einer leichten bzw. schweren Ausprägung der BPS, wird auf die Situation der Mutter-Kind-Beziehung bei Säuglingen und Kleinkindern eingegangen. Auf die Gefahr einer transgenerationalen Weitergabe einer BPS weist die Referentin abschließend hin.
Expertenrunde
Einige Aspekte waren:
- Aus der Sicht des Kinderarztes ist die Erwirkung der Schweigepflichtsentbindung ein wichtiger und zentraler Aspekt.
- In der Kita ist eine gezielte Beobachtung nötig um festzustellen, dass ein Kind keine altersentsprechende Reaktion zeigt.
- Die KoKi bietet Unterstützung für die Mutter beispielsweise in Form von Hausbesuchen an.
- Für die Arbeit der Erwachsenenpsychiaterin ist die Zusammenarbeit im gesamten Netzwerk wichtig, die Mutter könnte sich z. B. im Rahmen einer (Selbsthilfe-)gruppe austauschen.
- Der ASD ist auf das Helfersystem angewiesen und bietet umfassende Beratung und Begleitung an.
- Anhand der Ergebnisse aus der ersten Expertenrunde wurde das Hilfe- und Helfersystem strukturiert dargestellt.
Kontakt
Iris Grimm
Telefon: 09131 6808-4506
E-Mail: iris.grimm@lgl.bayern.de